Seinen Figurationen haftet ein schwebender, fast verstörender ästhetischer Reiz an. Sie künden von einer fremden, rätselhaften Welt. Aber auch davon, dass Bildhauerei nicht im luftleeren Raum des Reinen und Schönen ihr Wesen entfaltet, sondern mittendrin in den Fragestellungen unserer Zeit. Diese Grundierung wird auch an den anderen Themen deutlich, denen sich Marcus Golters Kunst nähert.
Mit seinen Hervorbringungen beteiligt sich Marcus Golter am kulturellen Diskurs der Gesellschaft zur Frage nach dem Menschenbild, seinem Ursprung, seinen aktuellen Gefährdungen, seinen Abgründen. Golters Bildhauerei ist ein Menschenbild eingeschrieben, dessen Würde und Unversehrtheit immer schon bedroht ist. Seine Skulpturen geben Anstöße ohne eine eindeutige Richtung vorzugeben. Vieles an ihnen bleibt irritierend und fremd. Das gilt es auszuhalten. Vor allem aber geben sie zu denken und lassen einen nicht unberührt zurück. Seine Bildfindungen lassen sich lesen wie veröffentliche Zeugnisse der ihn bedrängenden Fragen; sie ziehen den Betrachter in ein Gespräch. Jenseits alles Illustrativen geben sie dem Geistigen ein Bild.
An den Arbeiten Golters lässt sich zeigen, dass wir die Künste brauchen, um begreifen zu können, was mit uns geschieht, um die Tiefen irrationaler Bewegungsformen wahrnehmen zu können. Denn die Künste, die selbst aus dem Irrationalen schöpfend modellhaft das Ungeformte mit dem Geformten zu einer Gestalt versöhnen, bringen, und wir wissen bis heute nicht wie, das Geistige zur Sprache.
Christhard-Georg Neubert, Kunstbeauftragter und Direktor der Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz